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Zum Thema Familienrecht
- Automatische Namensangleichung: Sechsjähriger muss sich formell einem Antrag auf Namensänderung anschließen
- Entführtes Kind: Keine Rückführung zum Vater ins Kriegsgebiet Ukraine
- Undokumentierte Vergleichsgrundlage: Vorsicht bei der Doppelfunktion von Renten bei Versorgungsausgleich und Unterhalt
- Unterhalt ab 2023: Düsseldorfer Tabelle aktualisiert
- der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) 312 EUR,
- der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) 377 EUR,
- der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 463 EUR
- und für Volljährige im Haushalt eines Elternteils 378 EUR zu zahlen.
- 1.120 EUR beträgt nun der Mindestselbstbehalt gegenüber minderjährigen und privilegierten Kindern,
- 250 EUR Zuschlag gibt es für Erwerbstätigkeit sowie gegegenenfalls einen Wohnkostenzuschlag (enthalten sind 520 EUR Warmmiete),
- 1.385 EUR Mindestselbstbehalt hat man gegenüber seinem Ehegatten,
- 125 EUR Zuschlag gibt es für Erwerbstätigkeit sowie gegebenenfalls einen Wohnkostenzuschlag (enthalten sind 580 EUR Warmmiete),
- 1.650 EUR dürfen Eltern für sich behalten gegenüber Studenten (inklusive 650 EUR Warmwohnkosten).
- Versorgungsausgleich langjährig Versicherter: Auch Grundrentenzuschlag muss ausgeglichen werden
Wenn zwei Kinder dieselben Eltern haben, sollte man meinen, dass es keine großen Fragen zu ihren Nachnamen geben sollte. Weit gefehlt, wie der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) beweist. Warum am Ende beide Geschwister unterschiedliche Nachnamen haben werden, lesen Sie hier.
Ein unverheiratetes Paar hat zwei Kinder, geboren 2014 und 2018. Das erste Kind hatte den Nachnamen der Mutter erhalten, die bei dessen Geburt allein sorgeberechtigt war. Das zweite Kind sollte den Nachnamen des Vaters bekommen. Dazu gingen die beiden direkt nach dessen Geburt zum Notar, vereinbarten dies sowie das gemeinsame Sorgerecht, das sie Jahre später auch für das ältere Kind beim Notar beurkundeten. Zur Namenswahl machten sie in diesem Dokument keine Angaben. Doch Anfang 2020 änderte das Standesamt den Geburtsnamen des ersten - inzwischen sechs Jahre alten - Kindes auch auf den Nachnamen des Vaters. Ausschlag gab der gesetzgeberische Wille, dass in der Regel alle Kinder eines Elternpaars zumindest bei gleichen Sorgerechtsverhältnissen den gleichen Geburtsnamen tragen sollen. Im Gesetz ist die Rede davon, dass eine solche Namenswahl auch die "weiteren" Kinder betrifft - wobei unklar ist, ob damit nur die "nachfolgend Geborenen" gemeint sein sollen oder auch ältere Geschwister, die bereits einen Nachnamen haben. Wie auch immer: So hatte die Mutter das nicht gewollt. Sie klagte dagegen an und bekam durch drei Instanzen bis zum BGH Recht. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind acht Jahre alt und trug seit zwei Jahren offiziell den Nachnamen des Vaters.
Ob mit dem gesetzgeberischen Willen nur "nachfolgend Geborene" gemeint sein sollen oder auch ältere Geschwister, die bereits einen Nachnamen haben, war für die Urteilsfindung des BGH nicht ausschlaggebend. Es wird bei Kindern ab dem sechsten Geburtstag nämlich davon ausgegangen, dass eine Namensänderung ihnen nicht unwichtig ist. Das Kind lernt dann typischerweise, seinen vollständigen Namen zu schreiben, erhält Zeugnisse und Bescheinigungen mit Vor- und Familiennamen und identifiziert sich zunehmend nicht nur mit seinem Vornamen, sondern auch mit seinem Familiennamen. Deshalb müssen sich Kinder ab sechs Jahren formell einem Antrag auf Namensänderung anschließen. Dazu hätte das Kind aber durch beide sorgeberechtigte Eltern vertreten werden müssen, aber die Mutter hatte diese "automatische" Angleichung an das Geschwisterkind ja ausdrücklich nicht gewollt. Weil es also an der Zustimmung der Mutter - als Mitsorgeberechtigte - fehlte, wurde der Nachname des mittlerweile Achtjährigen wieder auf den der Mutter zurückgeändert.
Hinweis: Ab dem 14. Geburtstag haben Kinder auch ohne ihre Eltern ein Mitspracherecht bei Anträgen auf Namensänderung.
Quelle: BGH, Beschl. v. 21.09.2022 - XII ZB 504/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Der Ukrainekrieg hat längst auch die Familiengerichte erreicht. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte sich mit dem Antrag eines ukrainischen Vaters zu befassen, der nicht damit einverstanden war, dass die Mutter im März 2022 mit dem Baby (geboren 2021) nach Deutschland geflohen war.
Die Familie hatte zusammen in Odessa gelebt, wo es zu Luftangriffen durch die russische Armee gekommen war. Die Eltern waren bei Fliegeralarm mit dem Kind in ein Auto geflüchtet und hatten die Nächte in einer Tiefgarage verbracht. Die Mutter nahm das Kind auf ihrer Flucht mit, der Vater durfte wegen der Generalmobilmachung der Ukraine nicht ausreisen. Er begehrte im Oktober 2022 im Eilverfahren die Rückführung nach dem Haager Übereinkommen betreffend internationale Kindesentführung (HKÜ). Nachdem das Amtsgericht (AG) das abgelehnt hatte, verlangte er vor dem OLG hilfsweise, dass das Kind in die Republik Moldau gebracht werden müsse. Er habe dort bereits eine Wohnung für Mutter und Kind angemietet.
Wie das AG bestätigte auch das OLG, dass es sich hierbei zwar um eine internationale Kindesentführung gehandelt habe, deren Rechtsfolge es im Grundsatz ist, dass das Kind in den Ausgangsstaat zurückgeführt werden müsse. Die internationalen Abkommen sehen eigentlich nicht vor, dass das Land, in dem das Kind sich befindet, eine Kindeswohlprüfung durchführt. Die steht nur dem Land zu, in dem das Kind bis zur Entführung gelebt habe. Mit dem Grundsatz "status quo ante" soll verhindert werden, dass der Entführer sich der Rechtsprechung eines Staates entziehen und im Zufluchtsstaat das Verfahren zwecks aufwendiger Kindeswohlprüfung verzögern kann.
Zugleich gibt es aber hier eine Härteklausel. Und die wandten beide Gerichte angesichts der Kriegsssituation an. Das Auswärtige Amt habe für das gesamte Land eine Reisewarnung ausgesprochen. Nach Auswertung der Nachrichtensituation sei nicht davon auszugehen, dass es in der Ukraine sichere Orte gebe. Das Kind könne durch eine Rückführung in Lebensgefahr geraten. Die Möglichkeit, das Kind in die Nähe des Vaters, nämlich in die Republik Moldau, zu bringen, scheiterte daran, dass das HKÜ so etwas nicht vorsieht, dort keine internationale Zuständigkeit für Sorgerechtsstreitigkeiten gegeben war und die Mutter zu diesem Kompromiss nicht bereit war.
Hinweis: Das OLG verhandelte mit dem Vater - der ja nicht ausreisen durfte - und dessen ukrainischem Rechtsanwalt per Videokonferenz. Die Corona-Situation hat die technischen Ausrüstungen der Gerichte und die Bereitschaft der Richter zu Videoverhandlungen vielerorts beschleunigt.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.10.2022 - 17 UF 186/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Wenn bei einer Scheidung beide Eheleute erwerbsunfähig sind und einer von beiden Leistungen aus einer privaten Invaliditätsvorsorge (Berufsunfähigkeits(BU)-Versicherung oder Unfallversicherung) bezieht, spielen diese Zahlungen eine Doppelrolle: Zum einen stellen sie Lohnersatzeinkünfte dar, die in der Unterhaltsberechnung auftauchen, zum anderen sind solche privaten Renten beim Versorgungsausgleich zu teilen. Im Folgenden musste der Bundesgerichtshof (BGH) eine getroffene Einigung auf Billigkeitsvorschriften prüfen.
Hier hatten sich die Eheleute über den Unterhalt schon vergleichsweise geeinigt. Doch der Unterhaltsvergleich ließ in den Augen der Familienrichter nicht erkennen, welche Rolle die BU-Rente rechnerisch gespielt hatte. Es waren nämlich neben dem Unterhalt auch noch Haus sowie Zugewinn in ein Gesamtpaket gepackt und verrechnet worden. Da auch die Eheleute den Überblick verloren hatten und im Nachhinein folglich auch völlig widersprüchliche Vorstellungen dazu hatten, was die Basis ihrer Einigung gewesen war, teilte der Amtsrichter die BU-Rente im Versorgungsausgleich hälftig.
Das genügte den Ansprüchen des BGH jedoch nicht - er gab die Sache zurück, um Billigkeitsvorschriften beim Versorgungsausgleich zu prüfen. Denn ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, sobald er grob unbillig wäre. Und genau das ist der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der hälftigen Teilung abzuweichen. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere dann in Betracht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte an dem im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrecht bereits auf andere Weise partizipiert hat. Das konnte der BGH nach Aktenlage aber nicht selbst aufklären und wies die Sache an das zuständige Oberlandesgericht zurück.
Hinweis: Es gibt gute Gründe dafür, zu jeder Vereinbarung auch zu dokumentieren, was deren exakte Grundlagen waren.
Quelle: BGH, Beschl. v. 10.08.2022 - XII ZB 83/20
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Ab Januar 2023 gilt eine neue Düsseldorfer Tabelle für den Unterhalt minderjähriger Kinder. Die Zahlbeträge haben sich um monatlich 25 EUR und mehr (je nach Alter und Einkommensgruppe) erhöht, gleichzeitig hat sich auch das Kindergeld (das in dem Haushalt verbleibt, in dem das Kind wohnt) auf monatlich 250 EUR erhöht.
In Fällen, in denen der Unterhalt dynamisch tituliert ist (durch Jugendamtsurkunde, Notarvertrag, Gerichtsbeschluss), muss der Unterhaltspflichtige die Erhöhung selbst recherchieren - beispielsweise auf der Website des Oberlandesgerichts (OLG) - und unaufgefordert den korrekten Betrag überweisen.
Wenn ledigich der sogenannte Mindestunterhalt gezahlt werden muss, sind für Kinder
Auch für die älteren Kinder wurden die Bedarfssätze angepasst. Studenten und anderen Volljährigen außer Haus wird ab 2023 ein Bedarf von 930 EUR (inkl. 410 EUR Warmwohnkosten) zugesprochen. Wenn sich nach der Lebensstellung der Eltern ein höherer Bedarf ermittelt, kann davon nach oben abgewichen werden. Krankenversicherungskosten und Studiengebühren kommen ebenso hinzu wie ein eventuell konkreter Wohnkostenzuschlag. Auf den Zahlbetrag sind die 250 EUR Kindergeld anzurechnen, die der kindergeldberechtigte Elternteil weiterleiten muss. Den Restbedarf teilen die Eltern im Verhältnis ihrer Einkünfte.
Für Unterhaltspflichtige, bei denen die Situation insgesamt knapp ist, gibt es 2023 Entlastung.
Bei Ansprüchen auf Elternunterhalt ist mit Rücksicht auf die Regelungen des Angehörigenentlastungsgesetzes schon seit 2021 - und somit auch wieder 2023 - von der Angabe eines konkreten Betrags für den Selbstbehalt abgesehen worden. Bis Ende 2022 gibt es dazu noch keine veröffentlichten Gerichtsentscheidungen, und damit besteht weiterhin eine große Unsicherheit bei der korrekten Berechnung.
Hinweis: Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar. Sie ist nur ein Hilfsmittel, das Raum für eigene Beurteilungen und Angemessenheitskontrolle hat. Das wird in der außergerichtlichen Praxis oft nicht wichtig genug genommen. Relevant bei der Anwendung sind außerdem die Leitlinien des OLG, in dessen Bezirk das Kind wohnt. Insbesondere stößt die Trennung von Bar- und Betreuungsunterhalt in Familien mit erweitertem Umgang oder gar im Wechselmodell an Grenzen. Es lässt sich nicht übersehen, dass der Tabelle ein Familienbild der 70er-/80er-Jahre zugrunde liegt (die erste Düsseldorfer Tabelle stammt aus dem Jahr 1979) - der Reformbedarf ist bekannt.
Quelle: OLG Düsseldorf v. 04.12.2022
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Neu beim scheidungsbedingten Versorgungsausgleich ist der Grundrentenzuschlag, der eine Erhöhung der Rente für langjährig Versicherte mit geringem Erwerbseinkommen nach 33 Jahren Beitragszahlung vorsieht. Er wird gesondert ermittelt und entsprechend separat geteilt. Ob man aus diesem Zuschlag später Rentenleistungen erhalten wird, hängt von Faktoren ab, die der Richter zum Scheidungszeitpunkt meist nicht kennen kann - beispielsweise von den Einkommensverhältnissen im Rentenalter. Dieser offenen Fragestellungen musste sich kürzlich das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) annehmen.
Eine Ehefrau wehrte sich dagegen, dass sie bei der Scheidung Punkte von ihrem Grundrentenzuschlag abgeben sollte. Sie meinte, es sei bereits jetzt absehbar, dass dem Ehemann diese Punkte gar nichts nützen werden, weil er anderweitig genug Einkommen habe, das auf diesen Teil der Rente angerechnet werde. Sie machte daher die Unwirtschaftlichkeit geltend.
Zu einer solchen Prognose sahen sich die Richter des OLG nicht in der Lage und übertrugen die Rentenpunkte der Frau an den Mann. Es sei nicht ermittelbar, wie hoch die Einkünfte des Mannes im Alter sein würden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt überschreite er die maßgeblichen Anrechnungsgrenzen jedenfalls noch nicht.
Hinweis: Bei Geringfügigkeit unterbleibt im Übrigen der Ausgleich. Die Geringfügigkeitsgrenzen werden jährlich neu festgelegt und lagen 2022 bei 3.948 EUR Kapital oder 32,90 EUR Monatsrente (West).
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 15.11.2022 - 7 UF 193/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)