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Zum Thema Familienrecht
- Alleinige Sorge: Beschwerdegericht hat weiten Ermessenspielraum bei Eilanträgen
- Alleinige Sorge: Häusliche Gewalt und Todesdrohungen kosten das Sorgerecht
- Kasse zahlt Kryokonservierung: Recht auf leibliche Nachkommen besteht auch bei Geschlechtsangleichung
- Terminkontrolle: Einhaltung von Rechtsmittelbegründungsfristen ist durch Rechtsanwalt sicherzustellen
- Änderungsbereitschaft vorausgesetzt: Teilnahme an Antigewalttraining kann nicht einfach vollstreckt werden
Wenn es um die Regelung des Sorgerechts geht, können Eltern schwer mit gerichtlichen Entscheidungen umgehen und versuchen, diese im Wege eines Eilverfahrens zu stoppen. Das ist aber nicht immer von Erfolg gekrönt, weil Gerichte - wie das Oberlandesgericht Rostock (OLG) im folgenden Fall - hier einen weiten Entscheidungsspielraum haben.
Die Eltern eines zehnjährigen Kindes stritten um die elterliche Sorge. Der Kindesvater, der an jedem zweiten Wochenende von Mittwoch bis Montag Umgang mit seinem Sohn pflegte, beantragte nun, die elterliche Sorge auf sich allein zu übertragen. Auch wollte er unter seiner Adresse den Hauptwohnsitz seines Sohns an- bzw. ummelden. Zur Begründung verwies der Kindesvater auf massive Konflikte mit der Mutter. Sein Antrag hatte keinen Erfolg - im Gegenteil: Das Amtsgericht entzog beiden Elternteilen das Recht der Gesundheitsfürsorge sowie das Recht zur Regelung der Freizeitaktivitäten, ordnete insofern Ergänzungspflegschaft an und übertrug die entzogenen Rechte auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger. Das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten übertrug es auf die Kindsmutter. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein und beantragte, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses vorläufig auszusetzen.
Der Vater scheiterte mit seinem Eilantrag vor dem OLG. Das Gericht müsse schließlich bei seiner Entscheidung stets abwägen, welche Folgen eine Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben kann. Klar sei, dass über kurz oder lang das Sorgerecht allein auf einen Elternteil übertragen werden müsse, da die Eltern sich hier offensichtlich nicht mehr einigen können und das Kind zu zerreiben drohen. Insofern kann aber keine Entscheidung im Eilverfahren über das Sorgerecht getroffen werden, da man ein Hin und Her für das Kind vermeiden will und lieber gleich eine abschließende Entscheidung getroffen werden muss.
Hinweis: Über allem steht das Kindeswohl. Ein Eilantrag kann in Familiensachen nur dann erfolgreich sein, wenn durch die Entscheidung keine zusätzlichen Belastungen für das Kind hervorgerufen werden.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 01.08.2024 - 10 UF 74/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)
Trennen sich Eltern, wird das Sorgerecht für die Kinder oft trotz Trennung gemeinsam ausgeübt. In Einzelfällen kann die Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil angezeigt sein. So ein Einzelfall liegt vor, wenn Gewalt und Drohungen des einen Elternteils gegen den anderen Elternteil ausgesprochen und ausgeübt werden. Das folgt aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Die Eltern zweier Kinder haben sich scheiden lassen. Seit der Trennung im Jahr 2020 leben die Kinder im Haushalt der Mutter. Die Mutter hatte gegen den Vater im Jahr 2021 und erneut ab Ende 2023 ein jeweils halbjähriges Näherungs- und Kontaktverbot erwirkt. Zudem wurde ihr die alleinige elterliche Sorge übertragen. Gegen die Übertragung legte der Vater Beschwerde ein - erfolglos.
Beantragt ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Sorge auf sich, sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Hier hatte der Vater die Mutter in der Vergangenheit körperlich angegriffen und verletzt. Wiederholt äußerte er Todesdrohungen. Es erfolgten Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Demnach besteht zwischen den Eltern keine tragfähige soziale Beziehung mehr. Eine Kommunikation und Verständigung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist laut Auffassung des OLG somit nicht mehr möglich. Der Mutter ist es dabei auch nicht zumutbar, sich mit dem Vater in sorgerechtlichen Fragen abzustimmen. Entscheidend ist zudem der Wille der Kinder - und diese haben sich nach den Gewalterfahrungen für die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter ausgesprochen. Mildere, gleich effektive Mittel als die Übertragung auf die Mutter gibt es hier nicht. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Hinweis: Wer die alleinige Sorge für seine Kinder beantragen will, muss darlegen, warum eine gemeinsame Erziehung nicht mehr möglich ist. Weniger scharfe Maßnahmen dürfen nicht zur Verfügung stehen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.09.2024 - 6 UF 144/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)
Ob eine Person, der bereits der Anspruch einer geschlechtsangleichenden Behandlung zugesprochen wurde, vor der Angleichung auch einen Anspruch auf Kryokonservierung der Samenzellen bei seiner Krankenversicherung anmelden kann, bewertete das Bundessozialgericht (BSG).
Ein Mann war inmitten einer geschlechtsangleichenden Behandlung von Mann zu Frau. Diese Angleichung, die von der Krankenkasse bezahlt wird, würde in der Folge auch zum Verlust der Fruchtbarkeit führen. Um sich jedoch auch nach der Angleichung die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung mit seinen eigenen Samenzellen zu sichern, beantragte der Mann die Übernahme der Kosten einer Kryokonservierung der Samenzellen durch die Krankenversicherung.
Das BSG urteilte positiv für ihn, denn auch die geschlechtsangleichende Behandlung kann einen Anspruch auf Kryokonservierung von Samenzellen begründen. Schließlich haben Menschen gemäß § 2 Richtlinie zur Kryokonservierung, § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch vor keimzellschädigenden Behandlungen - beispielsweise bei Strahlentherapie oder bei fertilisationsschädigenden Medikationen - die gesetzliche Möglichkeit einer Kryokonservierung. Dieser Anspruch resultiert aus dem Bedürfnis, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten, und gilt unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Den Anspruch haben daher auch Personen, die auf Kosten der Krankenkasse eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführen. Die Kostentragungspflicht der Geschlechtsangleichung kann den Anspruch auf Kostentragung für die Kryokonservierung indizieren.
Hinweis: Eine Geschlechtsangleichung wird dann vorgenommen bzw. von einer Person angestoßen, wenn diese sich im falschen Körper geboren fühlt. Durch das Geborensein im falschen Körper soll ihr aber nicht verwehrt werden, leibliche Nachkommen zu haben. Im Prozess der Geschlechtsangleichung sollte daher immer auch an die Kryokonservierung gedacht werden.
Quelle: BSG, Urt. v. 28.08.2024 - B 1 KR 28/23 R
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)
Fristen sind einzuhalten - das gilt besonders in gerichtlichen Verfahren. Fristversäumnisse sind nicht nur ärgerlich, sondern können auch richtig teuer werden, so wie in diesem Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging. Hier hatte der Rechtsanwalt in einem Familienrechtsverfahren eine Rechtsmittelbegründung zu spät eingereicht und die sogenannte Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Man ahnt, wie das ausging.
Ein Ehemann wurde verurteilt, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau den Betrag von 293.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Dieser Beschluss wurde seinem Verfahrensbevollmächtigten am 25.07.2023 zugestellt, die dagegen gerichtete Beschwerde am 24.08.2023 eingereicht. Am 02.10.2023 ging beim Amtsgericht (AG) ein Schriftsatz des Antragsgegners vom selben Tag ein, mit dem dieser die Beschwerde begründete. Das AG leitete den mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Schriftsatz am 04.10.2023 auf elektronischem Weg an das zuständige Oberlandesgericht (OLG) weiter. Am selben Tag wies das OLG per Beschluss darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen, weil die Rechtsmittelbegründung nicht innerhalb der geltenden Frist (§ 117 Abs. 1 Satz 3 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) eingegangen sei. Diese beläuft sich bei der Begründung auf zwei Monate ab Bekanntgabe der Entscheidung. Es wurde vom Rechtsanwalt sodann die sogenannte Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist beantragt - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner ansonsten zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin, die für das Fristenmanagement zuständig war. Dennoch blieb der Antrag erfolglos.
Es entspricht laut BGH der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Rechtsanwalt die Führung des Fristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisation auf sein geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal zur selbständigen Erledigung übertragen darf. Dennoch muss der Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare tun, um die Wahrung der Fristen zu gewährleisten. So hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden, und die Fristen auch in der Handakte einzutragen. Der Anwalt muss die Fristen auch immer dann kontrollieren, wenn ihm die Handakte zur Bearbeitung vorgelegt wird. Dies hat er hier unterlassen - und sein Mandant nun das Nachsehen.
Hinweis: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Der Ehemann kann nun den Anwalt in die Haftung nehmen - ein weiterer für alle Seiten nervenaufreibender Prozess. Besser ist es daher, wenn der Anwalt auch den Mandanten stets über sämtliche Fristen in Kenntnis setzt und somit auch für sich eine weitere Kontrollinstanz einsetzt.
Quelle: BGH, Beschl. v. 31.07.2024 - XII ZB 573/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)
Da ein Familienvater seine Wut nicht unter Kontrolle hatte, wurde ihm aufgegeben, an einem neunmonatigen Antiaggressionstraining teilzunehmen. Weil er diesem nicht nachkam, war es schließlich am Kammergericht in Berlin (KG), die Möglichkeit einer Vollstreckbarkeit zu prüfen.
Zwischen dem Vater zweier Kinder und der Kindsmutter war es in der Vergangenheit im Beisein der beiden Kinder immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Ein Kind wurde sogar von einer vom Vater getretenen Plastikflasche am Kopf getroffen. Deswegen wurde der Vater wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Auch die Polizei wurde schon zur elterlichen Wohnung gerufen. Inzwischen haben sich die Eltern getrennt.
Das Familiengericht (FamG) ordnete für den Vater schließlich die Teilnahme an einem Antiaggressionstraining über neun Monate an, da es eine Kindeswohlgefährdung (§ 1666 Bürgerliches Gesetzbuch) annahm. Doch der Mann weigerte sich, an dieser Maßnahme teilzunehmen. Also wurden ihm Zwangsmittel zur Vollstreckung der Auflage in Form von Zwangsgeld von 500 EUR oder ersatzweise einem Tag Zwangshaft pro 100 EUR angedroht. Dagegen legte er sofortige Beschwerde ein.
Mit seiner Beschwerde hatte er Erfolg. Das KG hob die Zwangsmittelandrohung auf. Die Teilnahme an Beratungsangeboten kann grundsätzlich nicht erzwungen werden. Das regeln § 156 Abs. 1 Satz 4 und 5 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für verfahrensrechtlich erlassene Beratungsauflagen. Zu diesen Beratungsauflagen gehört auch die Teilnahme an einem Antigewalttraining. Auch war die Auflage nicht hinreichend bestimmt, weil keine bestimmte Anzahl von Beratungsterminen genannt worden war.
Hinweis: Wird eine Anordnung zur Teilnahme an einem Gewaltschutztraining erlassen, kann diese nicht vollstreckt werden, wenn der Beschwerte der Maßnahme nicht nachkommt. Eine Vollstreckung kommt nur in Frage, wenn eine konkrete Zahl an Beratungsterminen genannt und beim Beschwerten eine Änderungsbereitschaft zu erkennen ist.
Quelle: KG, Beschl. v. 20.08.2024 - 17 WF 87/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)