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Zum Thema Erbrecht
- Erbenermittlung: Beim Umfang der Prüfungspflicht des Nachlassgerichts sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend
- Geschäftsführung ohne Auftrag: Nur zwingende Gründe berechtigen zu einer Kostenübernahmeverpflichtung der Miterben
- Grundbuchänderung mit Eröffnungsprotokoll: Zweifel allein genügen nicht, um einen Erbschein wegen einer Scheidungsklausel einzufordern
- Nachlassgericht bestätigt: Ergeben sich für den Antragsteller keine neuen Erkenntnisse, erhält er kein Akteneinsichtsrecht
- Vollstreckungsgegenklage möglich: Miterben dürfen alleine einen Titel gegen den Schuldner zugunsten der Erbengemeinschaft erstreiten
Erben ausfindig zu machen, stellt Nachlassgerichte regelmäßig vor Herausforderungen. Was passiert, wenn sich auf die Angaben des Erblassers über mögliche Abkömmlingen verlassen wird, und ob die Einschaltung eines Erbenermittlers obligatorisch ist, musste hier das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) bewerten.
Ein zunächst unbekannt gebliebener Erbe vertrat in einem Rechtsstreit die Ansicht, dass das Nachlassgericht zum Zweck der Erbenermittlung einen professionellen Erbenermittler hätte einschalten und Anfragen an die Heirats-, Sterbe- und Geburtsregister von verschiedenen Standesämtern hätte stellen müssen. Der Erblasser selbst hatte zu Lebzeiten angegeben, dass außer einer bereits vorverstorbenen Tochter keine weiteren Abkömmlinge vorhanden seien. Tatsächlich hatte das Nachlassgericht aber doch verschiedene Erben ermittelt, die alle die Erbschaft nach dem Erblasser ausgeschlagen haben.
Das OLG hat in seiner Berufungsentscheidung klargestellt, dass sich der Umfang der Prüfungspflicht des Nachlassgerichts an den Umständen des Einzelfalls orientiert. Es bestehe aber keine generelle Verpflichtung zur Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers, ebenso wenig wie eine generelle Verpflichtung, Anfragen bei allen Standesämtern zu stellen, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat.
Hinweis: Die Einschaltung eines Erbenermittlers kann im Einzelfall geboten sein, wenn beispielsweise der Nachlasspfleger nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und andernfalls seine ihm gestellten Aufgaben nicht erfüllen kann.
Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.08.2020 - 11 U 65/19
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Erben steht die Verwaltung eines Nachlasses nur gemeinschaftlich zu. Dabei ist jeder seinen Miterben gegenüber verpflichtet, an Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig sind. Wenn Maßnahmen der Nachlasserhaltung dienen, kann ein Miterbe ausnahmsweise auch ohne Mitwirkung der anderen Entscheidungen treffen. Ob und wann einem Miterben den anderen gegenüber die anteilige Kostenerstattung für die Erteilung eines Erbscheins zusteht, obwohl diese zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Einverständnis hierzu erteilt hatten, musste im Folgenden der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Der BGH stellte zunächst klar, dass die Beantragung eines Erbscheins kein Fall ist, der zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Nachlasses generell erforderlich ist. Dabei stellte er jedoch heraus, dass es auch abseits der hierbei geltenden Vorschriften Ansprüche eines Miterben auf Aufwendungsersatz geben kann. Solche ergeben sich aus den Regelungen über die sogenannte "Geschäftsführung ohne Auftrag", die durch die erbrechtlichen Sonderregelungen nicht ausgeschlossen werden. Obwohl dieser Anwendungsbereich also grundsätzlich möglich ist, hat der BGH hier eine Kostenübernahmeverpflichtung abgelehnt, da zum Zeitpunkt des Erbscheinsverfahrens kein zwingender Grund dafür vorgelegen habe, den Erbschein zu beantragen. Insbesondere bestand zu diesem Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit, die Berichtigung eines Grundbuchs durchzuführen.
Hinweis: Hätte beispielsweise das Grundbuchamt ein Zwangsberichtigungsverfahren nach dem Tod des Erblassers eingeleitet, hätte die kostenverursachende Miterbin auf der Grundlage dieser Entscheidung des BGH ihre Kosten nach den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag voraussichtlich erstattet verlangen können.
Quelle: BGH, Urt. v. 07.10.2020 - IV ZR 69/20
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Ausschlag für das Verfahren, das das Berliner Kammergericht (KG) hier zu bewerten hatte, gab ein Antrag auf Grundbuchänderung. Unrichtige Grundbucheintragungen können berichtigt werden, sobald durch eine öffentliche Urkunde die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Ob eine solche öffentliche Urkunde nach Versterben eines Berechtigten ein Erbschein sein muss oder auch ein Eröffnungsprotokoll ausreicht, war hier die Frage.
Im Urteilsfall hatten zwei Eheleute ein notarielles Testament errichtet, in dem eine sogenannte Scheidungsklausel besagte, dass die testamentarischen Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam seien, sobald einer der Eheleute zu Lebzeiten eine Klage auf Aufhebung oder die Scheidung der Ehe beantragen würde. Nach dem Tod der Frau hatte der überlebende Ehemann eine Berichtigung des Grundbuchs beantragt und zu diesem Zweck das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts vorgelegt. Das Grundbuchamt hingegen verlangte die Vorlage eines Erbscheins. Zur Begründung führte es an, dass sich die Tatsache, dass die Ehe weder aufgelöst noch ein Scheidungsantrag eingereicht wurde, sich mit grundbuchtauglichen Mitteln nicht nachweisen ließe. Womöglich war das Testament ja doch unwirksam geworden?
Dem KG war dieser Einwand zu theoretisch. Es ist entgegen der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG) der Ansicht, dass ein Erbschein nur verlangt werden könne, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Scheidungsantrag tatsächlich gestellt worden sei. Die allein abstrakte Möglichkeit unter Berufung auf statistische Erhebungen zu Scheidungsquoten reichen dem KG dabei nicht aus, um den Wert eines notariellen Testaments zu schmälern. Der Witwer konnte die Grundbuchänderung also mithilfe des Eröffnungsprotokolls beantragen, ohne einen gesonderten Erbschein vorlegen zu müssen.
Hinweis: Trotz Abweichung von Entscheidungen der OLG-Kollegen in München und Naumburg wurde die Rechtsbeschwerde mangels Beschwer des Beteiligten, dessen Rechtsmittel Erfolg hatte, vom KG nicht zugelassen.
Quelle: KG, Beschl. v. 29.10.2020 - 1 W 1463/20
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Die Beteiligten eines Nachlassverfahrens - beispielsweise die Erben - haben ein Recht darauf, Einsicht in die gerichtlichen Nachlassakten zu erhalten. Personen, die nicht an dem Verfahren beteiligt sind, haben allerdings nur in engen Grenzen ein Akteneinsichtsrecht. Dies hat das Oberlandesgericht Köln (OLG) in einem Beschwerdeverfahren nochmals klargestellt.
Zur Begründung des Akteneinsichtsgesuchs hatte der am Verfahren nicht Beteiligte geltend gemacht, dass der vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlasspfleger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt einen strafrechtlich sanktionierten Parteiverrat begangen habe, als er nach Beendigung der Nachlasspflegschaft als Anwalt die rechtlichen Interessen einer an dem Verfahren Beteiligten übernommen habe. Zu diesem Zweck erwarte er aus der Akteneinsicht Erkenntnisse darüber, ob der Nachlasspfleger dieses Amt in seiner besonderen Stellung als Rechtsanwalt ausgeübt und ob er insbesondere im Zusammenhang mit der Abrechnung seiner Gebühren als Nachlasspfleger auf seine besonderen Kenntnisse als Rechtsanwalt verwiesen habe.
Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG haben das Akteneinsichtsgesuch zurückgewiesen, da auch letztinstanzlich nicht zu erkennen sei, welche Erkenntnisse der Antragsteller gewinnen möchte, die nicht ohnehin bekannt seien. Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgte ausdrücklich unter Berücksichtigung von dessen Stellung als Rechtsanwalt. Darüber hinaus kann ein Nachlasspfleger gegenüber dem Nachlassgericht lediglich nur jene Tätigkeiten abrechnen, die er in seinem Amt als Nachlasspfleger ausgeübt hat - unabhängig davon, ob er Rechtsanwalt ist oder nicht. Auch hieraus ergeben sich für den Antragsteller keine neuen Erkenntnisse.
Hinweis: Bestellt ein Nachlassgericht einen Rechtsanwalt wegen seines Berufs zum Nachlasspfleger, stehen sowohl die Nutzbarkeit seiner Fachkenntnisse als auch seine besondere Qualifikation außer Zweifel.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 05.10.2020 - 2 Wx 219/20
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Miterben sind gesetzlich nur dazu berechtigt, Ansprüche der Erbengemeinschaft mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft geltend zu machen. Hat ein Miterbe einen solchen Vollstreckungstitel erworben, schließt sich die Frage an, ob dieser Miterbe auch alleine dazu berechtigt ist, die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Eine Antwort darauf zu finden, war im Folgenden Aufgabe des Bundesgerichtshofs (BGH).
Nach dem Tod des Erblassers fand eine Zwangsversteigerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks zur Aufhebung der Erbengemeinschaft statt. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) wurde festgestellt, dass der Erbengemeinschaft gegen einen der Söhne des Erblassers noch eine Forderung aus dem Verteilungsverfahren von ca. 150.000 EUR zusteht. Über diese Forderung der Erbengemeinschaft hat das AG dem Enkel des Erblassers, der ebenfalls zur Erbengemeinschaft gehörte, eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses erteilt. Der Sohn des Erblassers und Schuldner der Forderung wendete sich erfolglos gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
Der BGH hat im Wege einer Rechtsbeschwerde entschieden, dass das AG die vollstreckbare Ausfertigung der Entscheidung zu Recht zugunsten des Miterben erteilt hat. Dies sei eine zwangsläufige Konsequenz aus der gesetzlichen Befugnis des Miterben, alleine einen Titel gegen den Schuldner zugunsten der Erbengemeinschaft zu erstreiten. Es entspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, dass es jedem Miterben möglich sein soll, unabhängig von den weiteren Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch einzufordern, einzuklagen und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Sollten mehrere Miterben jeweils gesondert für sich eine Ausfertigung des Vollstreckungstitels über die gesamte Forderung beantragen, würde der Schuldner nämlich ausreichend dadurch geschützt, dass er im Wege einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann, die Forderung bereits gegenüber einem Miterben erfüllt zu haben.
Hinweis: Mit dieser Entscheidung wird ein Streit in der Rechtsprechung darüber beendet, ob der Miterbe eine vollstreckbare Ausfertigung verlangen kann, die ausschließlich ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist.
Quelle: BGH, Urt. v. 04.11.2020 - VII ZB 69/18
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)