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Zum Thema Erbrecht
- Demenzerkrankung: Erhebliche Abweichung von der üblichen Ausdrucksweise bestätigt Verdacht der Testierunfähigkeit
- Ernstlichkeit des Testierwillens: Fehlende notarielle Beurkundung lässt nicht automatisch auf Entwurfscharakter schließen
- Fehlerhaftes Aufgebotsverfahren: Fehlen des Adressaten im Aufgebot zur Geltendmachung des Anspruchs ist erheblicher Verfahrensmangel
- Testamente und Schriftgutachten: Es genügt, wenn Richter Schriftzüge vergleichen, um zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen können
- Zurückgewiesener Erbscheinsantrag: Antragsänderung kann gemeinsam mit einer Beschwerde eingereicht werden
Wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und danach zu handeln, kann auch kein Testament errichten. Grundsätzlich ist erst einmal von einer Testierfähigkeit auszugehen - wer sich auf die Testierunfähigkeit des Erblassers beruft, trägt die rechtliche Verpflichtung, diese feststellen zu lassen. Und genau das war dem Amtsgericht Bamberg (AG) anvertraut worden.
Der langjährige Lebensgefährte der im Jahr 2021 verstorbenen Erblasserin beantragte - gestützt auf ein Testament aus dem Jahr 2017 - einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Die gesetzlichen Erben waren jedoch der Ansicht, dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Demenzerkrankung bereits nicht mehr dazu in der Lage war, ein wirksames Testament zu errichten. Von besonderer Bedeutung war für das Gericht im vorliegenden Fall, dass der polnischstämmige Lebensgefährte, der seit etwa 20 Jahren mit der Erblasserin zusammenlebte, nur gebrochen Deutsch sprach; das handschriftliche Testament enthielt in Sprache, Rechtschreibung und Grammatik deutliche Hinweise, dass der Wortlaut nicht von der Erblasserin selbst stammte.
Neben dem eingeholten Sachverständigengutachten zur Schwere der Erkrankung kam das AG deshalb auch zur Überzeugung, dass Text und Inhalt des Testaments von dem Lebensgefährten "vorgegeben" wurden und das Testament nicht Ausdruck des freien Willens der Erblasserin war. Den gesetzlich berufenen Erben wurde ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt.
Hinweis: Dem nichtehelichen Lebensgefährten steht kein gesetzliches Erbrecht zu. Soll dieser im Fall des Todes bedacht werden, ist hierfür zwingend die Errichtung eines Testaments oder eines notariellen Erbvertrags notwendig. Die Errichtung eines gemeinschaftlichen handschriftlichen Testaments ist nur Eheleuten vorbehalten.
Quelle: AG Bamberg, Beschl. v. 02.08.2022 - RV 56 VI 1518/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Neben der Eigenhändigkeit bei der Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch erforderlich, dass der Erblasser das Dokument auch mit dem Willen errichtet, eine letztwillige Verfügung erstellen zu wollen. Beispielsweise ist der handschriftliche Entwurf eines Testaments noch keine wirksame letztwillige Verfügung. Mit der Frage, ob es sich um einen erkennbar letzten Willen oder nur um den Entwurf eines solchen handelte, musste sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) auseinandersetzen.
Dem Rechtsstreit lag eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung zugrunde. Die Erblasserin hatte zusammen mit ihrem Ehemann verschiedene notarielle Testamente und zuletzt im Jahr 2003 ein handschriftliches Ehegattentestament errichtet. Die Enkelin der Erblasserin war der Ansicht, dass diese letzten Testamente nicht mit Testierwillen verfasst worden seien. Dies folge bereits daraus, dass die Erblasserin und ihr Ehemann sämtliche früheren letztwilligen Verfügungen notariell haben beurkunden lassen. Aus diesem Grund bestünden Zweifel an der Echtheit der Urkunden.
Dieser Argumentation ist das OLG im Ergebnis nicht gefolgt. Kraft Gesetzes ist bei einem eigenhändigen Testament, das den Formanforderungen entspricht, davon auszugehen, dass es sich um ein wirksames Testament handelt. Ergeben sich aus den äußeren Umständen keine Besonderheiten und entspricht das Testament im Übrigen auch den Anforderungen an die Eigenhändigkeit, ist regelmäßig auch von der Ernstlichkeit des Testierwillens bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung auszugehen.
Hinweis: Will ein Erblasser lediglich den Entwurf eines privatschriftlichen Testaments erstellen und erfolgt dies handschriftlich, muss das Schriftstück sicherheitshalber auch als "Entwurf" gekennzeichnet werden, da anderenfalls davon auszugehen ist, dass es sich bereits um die beabsichtigte letztwillige Verfügung handelt.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 11.08.2022 - 10 U 68/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Haben Erben die Befürchtung, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, gibt es die Möglichkeit, ein sogenanntes Aufgebotsverfahren einzuleiten. Sinn dieses Verfahrens ist es, Nachlassgläubiger auf diesem Weg aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Kommen die Nachlassgläubiger dieser Aufforderung nicht nach, werden den Erben weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, sich gegen diese nachträglichen Forderungen zur Wehr zu setzen - so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG).
Hier hatte die Nachlassverwalterin einen Antrag auf Aufgebot der Nachlassgläubiger gestellt und ein Verzeichnis der bislang bekannten Gläubiger beigefügt. In dem Antrag hieß es, dass die Gläubiger des bezeichneten Nachlasses unter Fristsetzung aufgefordert werden, ihre Rechte als Nachlassgläubiger anzumelden. Andernfalls werden sie von den Erben nur insoweit Befriedigung verlangen können, als sich nach der Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger noch ein Überschuss ergibt. Dieses Aufgebot wurde öffentlich bekanntgemacht. Im Juni 2022 erfolgte der sogenannte Ausschließungsbeschluss, mit dem "neue" Gläubiger von der Geltendmachung von Forderungen weitgehend ausgeschlossen werden.
Nach Fristablauf meldete sich ein weiterer Gläubiger, der in der Auflistung der Gläubiger nicht enthalten war. Die Forderung wurde durch den Gläubiger bei der Nachlassverwalterin geltend gemacht. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht der Beschwerde auch nicht abgeholfen, da es der Ansicht war, dass die Forderungsanmeldung zwingend bei Gericht zu erfolgen habe.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Gläubigers war erfolgreich. Zwar war auch das OLG der Ansicht, dass die Forderungsanmeldung zwingend beim Nachlassgericht zu erfolgen habe. Das Aufgebot leide aber an einem erheblichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Beschlusses führe. In dem Aufgebot sei zwingend auch der Adressat - eben das Gericht! - anzugeben, bei dem die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Fehlt es an dieser Angabe, liegt ein erheblicher Mangel der Entscheidung vor, so dass das Aufgebotsverfahren erneut durchzuführen war.
Hinweis: Die Antragsberechtigung für das Aufgebot besteht für jeden Miterben, aber auch für den Nachlasspfleger und Nachlassverwalter. Grundsätzlich gilt: Wird eine Forderung zu spät angemeldet, wird sie nur nachrangig befriedigt, soweit der Nachlass hierfür ausreicht.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 07.09.2022 - 6 W 100/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Ein handschriftliches Testament ist vom Erblasser eigenhändig zu errichten. Streiten sich die Erben über die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung, muss gegebenenfalls die Echtheit der Urkunde festgestellt werden. Ob hierfür die Einholung eines Schriftgutachtens zwingend erforderlich ist, musste im folgenden Fall das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) beantworten.
Der Erblasser hatte zunächst im Jahr 1995 mit seiner kurz darauf verstorbenen ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, in dem beide sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Von den beiden Kindern der Eheleute wurde lediglich der Sohn als Schlusserbe eingesetzt. In einem weiteren handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2017 setzten sich der Erblasser und seine zweite Ehefrau jeweils zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Erblassers stritten sich der Sohn und die zweite Ehefrau nun um die Stellung als Alleinerbe. Das Nachlassgericht kam nach erfolgter Beweisaufnahme und insbesondere nach einem selbst durchgeführten Schriftvergleich zum Ergebnis, dass das im Jahr 1995 errichtete Testament vom Erblasser geschrieben und von den Eheleuten unterschrieben worden sei. Hierzu hat das Gericht vorgelegte Schriftproben eindeutig dem Erblasser bzw. seiner vorverstorbenen Ehefrau zuordnen können.
Liegen laut OLG keine besonderen Umstände vor, die gegen eine eigenhändige Errichtung eines privatschriftlichen Testaments sprechen, genügt es, wenn der mit dem Fall betraute Richter selbst die Schriftzüge des ihm vorliegenden Testaments mit anderen Schriftproben vergleicht und dieses Ergebnis würdigt. Die Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist nur in Zweifelsfällen notwendig. In dem hier behandelten Fall hatte das zur Folge, dass die zweite Ehefrau als gewillkürte Alleinerbin des Erblassers anzusehen war. Denn sowohl das erste Testament, dem das Gericht keine wechselseitigen Verfügungen entnehmen konnte, als auch das zweite waren formwirksam errichtet.
Hinweis: Bestehen Zweifel an der Echtheit einer handschriftlich erstellten testamentarischen Verfügung, sollten Schriftproben aus den Nachlassgegenständen zu Vergleichszwecken gesichert werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 16.10.2022 - 3 W 130/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Die folgende Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zeigt, dass ein Gericht durchaus auf pragmatische Wege verweisen kann, etwa Verfahren zu verkürzen oder gar zu vermeiden. Hier traf es die Kollegen des Nachlassgerichts, die sich in einem Erbscheinsverfahren an geltende Regeln zu halten meinten. Dass es hierbei aber auch einfacher ginge, zeigt der folgende Beschluss des OLG.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte eine Erbin einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin zu Miterben zu je einem Viertel ausweisen sollte. Das Nachlassgericht wies die Antragstellerin mehrfach darauf hin, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne, da eine weitere Erbin vorhanden sei. Nachdem die Antragstellerin hierauf nicht reagierte, wurde der Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin erhob daraufhin nicht nur gegen diese Entscheidung Beschwerde; sie beantragte zudem - nunmehr dem Hinweis des Nachlassgerichts folgend - einen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin sowie eine weitere Person als Erben zu je einem Fünftel auswies. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dies damit begründet, dass über einen geänderten Antrag im Beschwerdeverfahren nicht entschieden werden könne.
Das OLG hat diese Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass in einem Beschwerdeverfahren eine Antragsänderung oder ein neuer Antrag nicht zulässig sind. Eine Entscheidung kann schließlich nicht auf Verfahrensgegenstände ausgedehnt werden, die nicht bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung waren. Das OLG ist aber der Ansicht, dass ein Antrag auch dann noch rechtzeitig gestellt sei, wenn er zusammen mit der Beschwerde eingereicht werde. Denn so habe auch das Nachlassgericht bereits die Möglichkeit, seine eigene Entscheidung abzuändern, bevor die Angelegenheit vom OLG zu behandeln ist.
Hinweise: Da die Beschwerde beim Nachlassgericht als Ausgangsgericht eingelegt werden muss, ist es zwingend erforderlich, dass ein geänderter Antrag zusammen mit der Beschwerde eingereicht wird. Eine Antragsänderung ist nicht mehr möglich, wenn diese erst nach Einlegung der Beschwerde erfolgt. In diesem Fall kann nur ein neuer kostenpflichtiger Antrag gestellt werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 13.09.2022 - 3 W 83/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)