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Zum Thema Erbrecht
- Nachlasspflegschaft unerlässlich: Wenn der Erbe in einer Gesellschafterversammlung unbekannt ist
- Neuverheiratung unerheblich: Wechselbezügliche Verfügungen zugunsten "unserer Patenkinder" bindend
- OLG reduziert Vergütung: Keine nachträgliche Feststellung einer berufsmäßig ausgeübten Nachlasspflegschaft
- Staatsangehörigkeit entscheidet: Internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte bei Aufenthaltsort Kolumbien
- Streitwert bei Wertermittlungsanspruch: OLG stellt auf realistische wirtschaftliche Erwartungen des Klägers zu Verfahrensbeginn ab
Gesellschafter treffen Entscheidungen auf der Basis eines Gesellschaftsvertrags und abhängig von den dort aufgestellten Regularien. Was aber passiert, wenn ein Gesellschafter verstirbt, der vertretungsberechtigter Geschäftsführer war und dessen Erben unbekannt sind, war Gegenstand einer Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG).
Der 2023 verstorbene Erblasser war zusammen mit einer weiteren Person Gesellschafter einer Zweipersonengesellschaft. Zugleich war er als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Nach dem Tod des Erblassers, der keine bekannten Erben hinterließ, beschloss die verbliebene Gesellschafterin, dass sie zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt werde. Zugleich beantragte sie die Löschung des Erblassers aus dem Handelsregister. Das Registergericht hat im Wege einer sogenannten Zwischenverfügung angeordnet, dass die Gesellschafterin eine Nachlasspflegschaft beantragen solle und ein Nachlasspfleger zur Versammlung zu laden sei, da Erben unbekannt waren und das Teilnahmerecht an einer Gesellschafterversammlung nicht entzogen werden könne. Gegen diese Entscheidung des Registergerichts legte die Geschäftsführerin Beschwerde ein.
Diese Beschwerde war auch insoweit erfolgreich, als das Registergericht nicht durch eine Zwischenverfügung entscheiden konnte - die Verfügung wurde aufgehoben. Allerdings waren die Mängel in der Beschlussfassung der Gesellschaft erheblich und konnten nachträglich nicht geheilt werden. Aufgrund der unklaren Erbfolge hätte eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden müssen. Die Nichtladung eines Gesellschafters stellt einen Einberufungsmangel der Gesellschafterversammlung dar, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Die Gesellschaft muss daher zunächst eine Nachlasspflegschaft einrichten lassen und den Nachlasspfleger zur Wahrung der Gesellschafterrechte zu einer weiteren Gesellschafterversammlung einladen.
Hinweis: Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für eine Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit hierfür ein Bedarf besteht. Zu diesem Zweck kann ein Nachlasspfleger bestellt werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 02.01.2024 - 7 W 66/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)
Sind Verfügungen von Ehegatten in einem Testament wechselbezüglich, können sie nach dem Tod des Erstversterbenden grundsätzlich nicht nachträglich abgeändert werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) war im Folgenden dennoch mit der Auslegung einer solchen Verfügung betraut, da es sich der Erblasser nach dem Tod seiner ersten Gattin doch noch einmal anders überlegt hatte.
Der Erblasser war seit dem Jahr 2020 in zweiter Ehe verheiratet und hatte keine eigenen Kinder. Der Neffe seiner verstorbenen ersten Ehefrau und die Enkelin seines Bruders - die beide Patenkinder der Eheleute waren - waren einst im gemeinschaftlichen notariellen Testament des Erblassers mit seiner ersten Frau aus dem Jahr 2001 als Schlusserben eingesetzt worden. Nach dem Tod des Längstlebenden sollten sie zu gleichen Teilen erben. Darüber hinaus enthielt das Testament eine Ersatzschlusserbeneinsetzung zugunsten der zu diesem Zeitpunkt lebenden Geschwister der Schlusserben. Später änderte der Erblasser diese Regelung jedoch zugunsten seiner zweiten Ehefrau. Drei handschriftliche Testamente, die von der zweiten Ehefrau geschrieben und vom Verstorbenen unterschrieben wurden, setzten sie offensichtlich als Alleinerbin ein. Als der Neffe gemeinsam mit der Enkelin des Erblassers nach dessen Tod einen Erbschein beantragte, erhob die Witwe des Erblassers dagegen erwartungsgemäß Einwendungen.
Das Nachlassgericht gab dem Antrag des Neffen dennoch statt, da das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2001 ihn und das andere Patenkind als Schlusserben festlegte. Das Testament wurde so ausgelegt, dass die erbrechtlichen Verfügungen wechselbezüglich und bindend waren. Die Änderung zugunsten der zweiten Ehefrau wurde als unwirksam erklärt. Die weiteren handschriftlichen Testamente wurden als nicht formwirksam erachtet, da sie nicht den rechtlichen Anforderungen entsprachen.
Dieser Einschätzung schloss sich schließlich auch das OLG an. Auch wenn das notarielle Testament keine ausdrückliche wechselbezügliche Regelung enthielt, kam das Gericht über eine Auslegung dazu, dass die Schlusserbeneinsetzung der Patenkinder wechselbezüglich getroffen wurde - und damit auch für den Längstlebenden bindend war. Für das OLG spielte hier eine Rolle, dass die Erblasser in dem Testament formulierten, dass "unsere" Patenkinder als Schlusserben eingesetzt werden. Die Einsetzung erfolgte daher aufgrund eines gemeinsamen Willens beider Eheleute - unabhängig von den familiären Beziehungen. Hierfür sprach nach Ansicht des Gerichts auch, dass als Ersatzschlusserben die Geschwister der Patenkinder benannt wurden, was nochmals verdeutlichte, dass es den Erblassern nicht darauf ankam, nur die jeweiligen Familienstämme zu bedenken. Den eingesetzten Erben wurde der beantragte gemeinschaftliche Erbschein erteilt.
Hinweis: Im Zweifel gilt, dass Verfügungen von Eheleuten dann wechselbezüglich sind, wenn die Ehegatten sich gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.01.2024 - 33 Wx 191/23 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)
Das Nachlassgericht kann zur Sicherung und Verwaltung eines Nachlasses sowie zur Ermittlung von Erben einen Nachlasspfleger bestellen, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält. Deren Höhe kann sich erheblich unterscheiden - je nachdem, ob der Nachlasspfleger diese Tätigkeit berufsmäßig ausübt oder eben nicht. Da hier eine solche Prüfung vorab unterblieben ist, musste sich das Oberlandesgericht München (OLG) mit den Folgen der ausgebliebenen Differenzierung befassen.
Die Erblasserin verstarb im Jahr 2006, und das Nachlassgericht ernannte einen Nachlasspfleger zum Zweck der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Erbenermittlung. Die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Nachlasspflegschaft wurde nicht vorgenommen. Der Nachlasspfleger beantragte im März 2022 eine Vergütung von 14.979 EUR für seine Tätigkeit, die das Nachlassgericht im April 2023 auch genehmigte. Hiergegen legten die Erben Beschwerde ein. Ihre Begründung: Weder Prüffähigkeit der Abrechnung noch Plausibilität einiger Tätigkeiten könnten nachvollzogen werden. Das Nachlassgericht wies die Beschwerde ab und legte die Akten zur Entscheidung dem OLG vor.
Der Senat hat entschieden, dass die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers als berufsmäßiger Nachlasspfleger nicht möglich sei, da eine solche Feststellung im Bestellungsverfahren unterblieben ist. Daher kann die Vergütung nur anhand des Umfangs, der Schwierigkeiten sowie des angefallenen Zeitaufwands bemessen werden. Es wurde festgestellt, dass der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeiten des Nachlasspflegers eine angemessene Vergütung rechtfertigen; die Höhe der Vergütung wurde auf 4.579 EUR festgelegt, basierend auf den vom Nachlasspfleger vorgelegten Stunden und einem aus Sicht des Gerichts angemessenen Stundensatz.
Hinweis: Als Anhaltspunkte für die Bemessung eines Stundensatzes können die Fälle des § 3 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz herangezogen werden.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.01.2024 - 33 Wx 152/23 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)
Verstirbt ein deutscher Staatsbürger im Ausland, stellt sich zur Regelung der Nachlassangelegenheiten meist die Frage, in welchem Land die Zuständigkeit des Nachlassgerichts gegeben ist. Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) wies hierbei einige interessante Besonderheiten auf.
Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und im Jahr 2019 an seinem letzten Wohnort in Kolumbien verstorben. Sein Nachlass umfasste unter anderem Immobilien in Schweden und Kolumbien, GmbH-Anteile einer Firma in Deutschland sowie Guthaben und Bankkonten in Deutschland und der Schweiz. Der Mann war insgesamt viermal verheiratet, wobei aus der ersten Ehe zwei leibliche Kinder hervorgegangen waren. Seit 2011 war der Erblasser zudem auch als Staatsbürger in Schweden registriert, seit dem Jahr 2016 war sein gewöhnlicher Aufenthalt in Kolumbien. Aufgrund eines privatschriftlichen Testaments aus dem Jahr 2002 ging es in dem Erbscheinsverfahren unter anderem um die internationale und örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Konstanz (AG).
Das OLG bestätigte insoweit die Einschätzung des AG, dass dieses für die Erteilung des Erbscheins sowohl international als auch örtlich zuständig war. Zunächst prüfte das Gericht, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und kam zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um Kolumbien handelte. Nach dieser Feststellung sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass zuständig - aber nur, sofern der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates besaß. Dabei ist unerheblich, ob es sich um das gesamte Vermögen des Erblassers handelt oder welchen Anteil am Gesamtvermögen dieses ausmacht. Also kam es einzig auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Örtlich war das AG zuständig, weil der Erblasser zu einem früheren Zeitpunkt dort einmal seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unerheblich blieb, wie lange der letzte gewöhnliche Aufenthalt bereits zurücklag. Da das Gericht auch zu dem Prüfungsergebnis kam, dass das Testament formal wirksam war, durfte das Nachlassgericht auch den entsprechenden Erbschein erteilen.
Hinweis: Auch die Frage der Testierfähigkeit beurteilte sich in dem Fall nach deutschem Erbrecht.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.02.2024 - 14 W 87/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)
Die Kosten einer möglichen Rechtsverfolgung spielen eine beachtliche Rolle. Dazu gehören insbesondere Anwaltskosten, die häufig anhand des Streitwerts bemessen werden. Genau um einen solchen Streitwert ging es auch im folgenden Rechtsstreit, den das Oberlandesgericht München (OLG) zu bewerten hatte.
Die pflichtteilsberechtigte Klägerin forderte den beklagten Erben auf, den Wert des von der Erblasserin hinterlassenen Schmucks durch Vorlage eines Gutachtens festzustellen. Sie bezifferte den Wert des Schmucks in ihrer Klageschrift auf 5.000.000 EUR und ermittelte darauf basierend einen Streitwert von 312.500 EUR, den das zuerst betraute Landgericht (LG) zunächst auch zugrunde legte. Der Beklagte legte dagegen eine Beschwerde ein - er vertrat die Ansicht, der Wert sei lediglich auf 37.500 EUR oder hilfsweise auf 93.750 EUR festzusetzen. Das LG wies diese Beschwerde zurück und legte die Akten zur Entscheidung dem OLG vor.
Das OLG stimmte dem Ansatz des LG grundsätzlich zu, den Streitwert auf der Grundlage der von der Klägerin angegebenen Werte festzusetzen. Da der Anspruch auf Wertermittlung ein Hilfsanspruch für die Bemessung des späteren Zahlungsanspruchs ist, wurde ein deutlicher Abschlag vorgenommen. Unter Berücksichtigung der Grundsätze des Bundesgerichtshofs wurde eine Quote von 10 % des Leistungsanspruchs zugrunde gelegt, was ausgehend von einem Pflichtteilsanspruch von 695.500 EUR zu einem Streitwert von 62.500 EUR führte.
Hinweis: Kommt es im Rahmen einer sogenannten Stufenklage nach Erteilung der Auskunft auf der ersten Stufe nicht mehr zu einer Bezifferung eines Leistungsanspruchs auf der nächsten Stufe (sogenannte steckengebliebene Stufenklage), stellen Gerichte hinsichtlich des Streitwerts auf die realistischen wirtschaftlichen Erwartungen eines Klägers zu Beginn des Verfahrens ab. Diese Betrachtung hat das OLG auch in dem entschiedenen Fall herangezogen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 19.02.2024 - 33 Wx 71/24 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)